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Harald Wieser

Mittwoch, 10. November 2010

Wieder Uneinigkeit im BFH

Zur Übertragung von Wirtschaftsgütern

Ein häufiges Problem bei Unternehmenstransaktionen ergibt sich dann, wenn nicht alle Wirtschaftsgüter mit übertragen werden sollen. Beispielsweise hat ein potenzieller Unternehmenskäufer nur Interesse am eigentlichen Business und will oder kann z.B. ein Betriebsgrundstück nicht übernehmen. Derartige Restriktionen ergeben sich aber nicht nur bei Unternehmensverkäufen. Sie können auch bei Umwandlungen, bei Schenkungen innerhalb der Familie von Eltern an Kinder oder bei sonstigen Transaktionen vorkommen.
 
Nun ist es nicht leider so einfach möglich, die betreffenden Wirtschaftsgüter aus dem Unternehmen steuerfrei heraus zu transferieren. Es droht die Besteuerung der stillen Reserven, ohne dass ein Geldzufluss vorhanden wäre, aus dem die Steuer dann gezahlt werden könnte.
 
Während eine Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern aus einer Kapitalgesellschaft heraus auf Dritte nur mit einer Ausnahme zur Gewinnbesteuerung führt, sieht das bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften glücklicherweise anders aus.
 
Eine steuerneutrale Übertragung in das Privatvermögen des Unternehmens oder Gesellschafters ist zwar auch bei Personengesellschaften (PersG) nicht möglich, aber immerhin ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten aus § 6 Abs. 5 EStG. Danach können einzelne Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen übertragen werden. Die Steuerverstrickung bleibt aber natürlich erhalten.
 
Die Vorschrift ist in den Details zwar äußerst vielschichtig, aber bis auf eine Frage scheint alles im Wesentlichen geklärt zu sein. Diese eine Frage hat es allerdings in sich. Es geht darum, ob ein Wirtschaftsgut auf eine parallele Gesellschaft, also auf eine personenidentische Schwestergesellschaft übertragen werden darf.
 
Der genannte Paragraf zählt die Fälle der steuerneutralen Übertragung einzeln auf. Die steuerneutrale Übertragung auf eine Schwestergesellschaft ist leider nicht mit aufgezählt. Damit würde man eigentlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass solch eine Übertragung Steuern auslösen muss. Ganz in diesem Sinn hat auch der BFH mit Urteil vom 25.11.2009 - I R 72/08 entschieden. Der dort geschilderte Fall ist extrem komplex und ich rate eher ab, sich dort einzulesen. Die klagenden Gesellschafter hatten vor einem Unternehmensverkauf eine Unternehmensgruppe in mehreren Schritten umstrukturiert. Kurz vor dem Verkauf einer PersG waren Grundstücke auf eine Schwester-PersG übertragen worden. Das FA wollte natürlich besteuern.
 
Man weiß leider nichts über die Hintergründe des Falls. Hatten die Gesellschafter in Zeitnot gehandelt? Oder hatten die Berater geschlampt? Bei sorgsamer und vorausschauender Vorgehensweise hätte man die Grundstücke mit einer adäquaten Gestaltung problemlos heraus transferieren können. Hier aber war der zeitliche Abstand mit zwei Monaten so kurz, dass auch noch die Frage der Gesamtplanrechtsprechung relevant wurde.
 
Ohne auf den letzteren Aspekt eingehen zu wollen, hat der 1. Senat des BFH den Fall im Sinne des FA durchgewinkt. Nun aber kommt der 4. Senat des BFH ins Spiel. Mit Beschluss vom 15.4.2010 - IV B 105/09 kam er genau zum gegenteiligen Ergebnis. Er meint, dass die PersG Steuerrechtssubjekt für die Art der Einkünfte (z.B. aus Gewerbebetrieb) und deren Zurechnung sei. Das Objekt der Besteuerung seien aber die Gesellschafter selbst und nicht die Gesellschaft. Es sei also immer das so genannte Transparenzprinzip anzuwenden.
 
Für die Steuerrechtslaien: Das Transparenzprinzip besagt, dass eine PersG steuerlich transparent, also "durchsichtig" ist und die Einkünfte dem Gesellschafter direkt und unmittelbar zugerechnet werden. Damit läge also nur eine nicht zu versteuernde Überführung und keine Übertragung vor. Diese Bewertung des 4. Senats ist meiner Meinung nach absolut überzeugend.
 

Das Spiel um die richtige Auslegung des Steuerrechts ist damit wieder völlig offen. Eine Klarstellung ist nun aber absehbar. Der Beschluss des 4. Senats war nämlich nur ein Aussetzungsbeschluss. Das eigentliche Verfahren steht noch an. Wenn der 4. Senat in diesem Verfahren bei seiner Meinung bleiben will, wird er den Großen Senat anrufen müssen, der das Schlusswort haben wird.

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