Harald_Wieser_Portrait

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Harald Wieser

Dienstag, 19. April 2011

So grätscht das Finanzamt in Ihren ausgeklügelten Plan

Über die Gesamtplanrechtsprechung

Wenn es um die Vermeidung von unliebsamen steuerlichen Folgen geht, scheint die Phantasie der Steuerbürger schier grenzenlos zu sein. Es zeugt von beeindruckender Kreativität, auf welche hochkomplexe, ausgeklügelte Gestaltungen so mancher kommt, um der Besteuerung zu entgehen. Ich persönlich habe dafür großes Verständnis: zum einen zahle ich natürlich auch nicht gerne Steuern und zum anderen verschafft es mir ebenfalls außerordentliche Genugtuung, wenn ich bei meinen Beratungsaufträgen neue Wege gehen kann.

Wer die Steuergesetze aufmerksam zu lesen versteht, kann Gestaltung direkt daraus ableiten. Die Steuergesetze sind beispielsweise durchzogen von Sperr- oder Missbrauchsfristen. Der Gesetzgeber wendet Sperrfristen dann an, wenn er eine Gestaltung nicht verhindern, sondern nur hinauszögern kann. Wenn Sie also zukünftig von einer Sperrfrist lesen, sollte Sie das anspornen, die Lücke zu sehen und im Einzelfall natürlich rechtzeitig zu planen.

Aber Vorsicht, wer seine komplexe Gestaltung ohne ausreichende Kenntnis des Steuerrechts vornimmt, kann sich schnell selber austricksen. Die Rechtsvorschrift zum Missbrauch von Gestaltungsvorschriften wird flankiert von der sogenannten Gesamtplanrechtsprechung. In der Praxis werden die beiden rechtlichen Einschränkungen von Gestaltungen oft nicht sauber getrennt, obwohl sie nichts mit einander zu tun haben. Beide Auffangtatbestände können in einem konkreten Fall neben einander vorliegen, müssen es aber nicht. In der Praxis muss man also beide beachten und abprüfen.

Zur Gesamtplanrechtsprechung findet man übrigens im Gesetz nichts. Sie basiert nur auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Im Kern geht es darum, eine willkürliche (also vom Willen gekürte) Aufspaltung von verschiedenen Rechtsakten wieder zu einem einzigen zusammen zu fassen und diesen dann einheitlich zu besteuern.

Versetzen Sie sich bitte in die folgende Situation: Sie sind an einer GbR beteiligt und möchten Ihren Anteil für schönes Geld verkaufen. Ein Grundstück, das Sie an die GbR vermietet haben, will der Käufer aber aus finanziellen Gründen nicht mit übernehmen. Eigentlich müssten Sie bei dem Verkauf Ihres Gesellschaftsanteils auf den Veräußerungsgewinn nur den halben Steuersatz bezahlen, wenn nicht dieses Grundstück im Wege wäre. Das Finanzamt gesteht Ihnen den halben Steuersatz nämlich nur dann zu, wenn Sie alles in einem einheitlichen Vorgang, also auch das Grundstück mit veräußern. Ihr Steuerberater kommt nun auf eine interessante Idee: zuerst wird das Grundstück steuerneutral in eine von Ihnen eigens zu diesem Zweck gegründete GmbH & Co. KG übertragen. Etwas später - nach einer gewissen Abkühlungsphase – wird der Anteil steuergünstig verkauft. Das geht so in Ordnung; gegen kein Steuergesetz wird unmittelbar verstoßen.

Mit dem Vorwurf eines Gestaltungsmissbrauchs kommt das Finanzamt dem Verkäufer nicht bei. In dem geschilderten Fall kann aber nach dem u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs das Rechtsinstitut der Gesamtplanrechtsprechung angewendet werden.

Zwei Tatbestände müssen dazu erfüllt sein: 1. der Steuerpflichtige hat ein von vorn herein in sich geschlossenes Konzept und er ist 2. Herrscher des Geschehens.


Da dem Finanzamt die Motivlage in den Köpfen der Steuerpflichtigen naturgemäß verschlossen ist, muss es aus äußeren Merkmalen schließen. Für ein geschlossenes Konzept muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Teilschritten bestehen, der so weit geht, dass die einzelnen Teilschritte auf einander aufbauen, mit einander abgestimmt sind und für sich gesehen keine wirkliche eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Daneben wird auch ein enger zeitlicher Zusammenhang gefordert. Als „eng“ wird noch ein Zeitraum von bis zu 3-5 Jahren bezeichnet. Den engen zeitlichen Zusammenhang sollte man aber nicht überbetonen. Er kann nur ein Indiz für ein geschlossenes Konzept sein.

Bei dem Merkmal der Beherrschung des Geschehens kommt es  darauf an, ob der Stpfl. damit rechnen kann, dass er seine Pläne autonom durchsetzen kann. Je mehr das Geschehen Außen-einflüssen unterliegt, desto weniger wird er das Geschehen beherrschen können. In erster Linie sind hier rechtliche Aspekte ausschlag-gebend. Ist er überall beherrschender Gesellschafter oder kann er nicht allein durchregieren? Ein längerer Zeitraum zwischen den Teilschritten insbesondere in dynamischen Branchen führt ebenfalls dazu, dass mit Planstörungen gerechnet werden muss.


In der Praxis und von Kollegen höre ich oft die Frage nach dem zeitlichen Moment: Wie lange ist der vom BFH geforderte „enge zeitliche Zusammenhang“? Ich löse im Bereich der Gestaltungsberatung die Problematik lieber inhaltlich, also beispielsweise durch angepasste Vertragsgestaltung. Im Bereich der Abwehrberatung, also beispielsweise bei Betriebsprüfungen, wird man sich mit jedem Detail auseinander setzen müssen und hoffen, dass sich gute Argumente ergeben.

§ 39 AO, § 6 Abs. 5 EStG, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 16 Abs. 4 EStG, § 34 Abs. 3 EStG, BFH vom 6.9.2000