Harald_Wieser_Portrait

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Harald Wieser

Dienstag, 6. September 2011

Rückbeziehung, ja oder nein?

Zum optimalen Umwandlungsstichtag

Anschluss an Blog-Eintrag vom August 2011


Bei Umwandlungen in GmbH kann der handelsrechtliche Übertragungsstichtag bis zu 8 Monate vor den Tag der Anmeldung der Umwandlung zum Handelsregister zurückbezogen werden. Voraussetzung ist nur die Einreichung des „normalen“ handelsrechtlichen Jahresabschlusses bis zum 31. August um den „normalen“ handelsrechtlichen Jahresabschluss zum letzten Bilanz- stichtag zu verwenden. Meist wollen sich die Unternehmen die zusätzlichen Kosten eines aktuellen Zwischenabschlusses sparen und so wird diese Frist häufig voll ausgenutzt. Wenn man bedenkt, dass Großunternehmen für Jahresabschlüsse 6- oder gar 7-stellige Beträge bezahlen müssen, ist das absolut nachvollziehbar.

In der Realität sind es aber nicht die Milliarden-Euro-Umsatz-Unternehmen, die in die GmbH wollen. Fast immer handelt es sich um die kleinen Unternehmen, die ursprünglich als kleine Einzelunternehmen oder GbR gestartet sind und die nun, nachdem sie über die Jahre gewachsen sind, in die Haftungsbeschränkung wollen. Die Kosten für einen Abschluss nebst Steuererklärungen für ein Rumpfgeschäftsjahr bewegen sich häufig nur im niedrigen bis mittleren 4-stelligen Bereich.

Weil die Kosten nicht mehr so drückend sind, stellt sich die Frage, ob ein Zwischenabschlusses nicht doch erstellt werden sollte. Es gibt nämlich ein gravierendes steuerliches Problem bei langer Rückbeziehung.

Zunächst einmal muss man sich klar machen, was Rückwirkung bedeutet. Handelsrechtlich gilt (= Fiktion) die GmbH zum 1.1 (steuerrechtlich zum 31.12.) als entstanden. Der Gewinn des Unternehmens unterliegt damit im Rückwirkungszeitraum dem Besteuerungssystem der Kapitalgesellschaften. Wenn die Rückwirkung für das Steuerrecht nicht ebenfalls gelten würde, müsste man den Gewinn für den Rückwirkungszeitraum getrennt ermitteln und wie bisher als einkommensteuerliche Gewinneinkünfte versteuern. Die steuerliche Rückwirkung dient der Vereinfachung und ist für den Steuerpflichtigen ein echtes Entgegenkommen. Sonst nämlich gilt im Steuerrecht im Unterschied zum Zivilrecht ein strenges Rückwirkungsverbot. Ex tunc gibt es im Steuerrecht nicht. Bei der Umsatzsteuer und anderen Verkehrsteuern gilt die Rückwirkung übrigens nicht.

Deshalb gilt die Rückwirkung auch nicht für Verträge zwischen der neu entstehenden Gesellschaft und den Gesellschaftern, wie z.B. Dienst-, Miet- oder Darlehensverträge. Solche Verträge können nicht zum Anfang des Rückwirkungszeitraums zurückbezogen werden. Bestand vorher eine Personengesellschaft, dann gelten diese Verträge ex nunc ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit. War ein Einzelunternehmen gegeben, dann werden diese Verträge erst ab dem Zeitpunkt der Errichtung der GmbH, also ggf. erst 8 Monate nach dem Umwandlungsstichtag wirksam.

Daraus ergibt sich nun ein Problem. Die Gewinnanteile, die Gesellschafter oder Einzel- unternehmer für ihren Lebensunterhalt getätigt haben und die bisher Entnahmen waren, können nachträglich nicht in Gehaltszahlungen umqualifiziert werden. Sie stellen deshalb keinen Aufwand der GmbH dar und können den Gewinn nicht mindern. Buchungstechnisch sind sie mit dem Eigenkapital zum steuerlichen Übertragungsstichtag zu verrechnen. Das hat Einfluss auf die Anschaffungskosten der Anteile. Sie werden gemindert. Sollte die Höhe des Eigenkapitals für die Entnahmen nicht ausreichen, ist sogar ein laufender Einbringungsgewinn zu versteuern.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Ein Einzelunternehmer weist in der steuerlichen Schlussbilanz zum 31.12.2010 ein buchmäßiges Eigenkapital von 50.000 Euro aus. Die Ausgliederung wird am 31.08.2011 beschlossen und zum Handelsregister angemeldet. Im Rückwirkungszeitraum hat er 90.000 Euro für seinen laufenden Lebensunterhalt entnommen. Lösung: Die Anschaffungskosten der Anteile würden ‑40.000 Euro betragen. Negative Anschaffungskosten sind nach BFH-Rechtsprechung nicht zulässig. Die Buchwerte müssen deshalb gewinnwirksam um 40.000 Euro aufgestockt werden. Bei einem persönlichen Steuersatz von 42% und voller Verrechnung der Gewerbesteuer führt das zu einer Einkommensteuer von 16.800 Euro.

Vor diesem Hintergrund sollte eine allzu lange Rückbeziehung gut kalkuliert sein. Es ist generell anzuraten, die Einbringung zügig nach einem regulären Bilanzstichtag durchzuführen, oder eben einen Zwischenabschluss aufzustellen.

Wenn man so will, geht das Ergebnis aber moralisch in Ordnung. Der Gesellschafter erhält im Rückwirkungszeitraum steuerfreies Cash in voller Höhe des ehemaligen, bereits versteuerten Eigenkapitals des Einzelunternehmens. Der übersteigende Betrag von 40.000 Euro bereichert den Gesellschafter und darf deshalb guten Gewissens versteuert werden. Man darf auch eine Milderung nicht übersehen: Der Mehrbetrag wird in der Steuerbilanz aktiviert und abgeschrieben. Dort führt er dann – etwas zeitlich verzögert – zu einer neutralisierenden Gewinnminderung.



§ 17 Abs. 2 UmwG, § 20 Abs. 5 UmwStG, UmwStE25.3.1998, Tz. 20.25; Widman-Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 SESteG, Tz. R 320.